Kritik am Freundschaft mit Kindern - Förderkreis e.V.
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Texte zum Thema

Es existieren einige Offene Briefe und Texte zur Auseinandersetzung um die Antipädagogik-Interpretation und die sonstigen Aktionen von Hubertus von Schoenebeck und dem Verein Freundschaft mit Kindern - Förderkreis e.V.

  1. Offener Brief von E.v.Braunmühl an Hubertus von Schoenebeck vom 13. Mai 1996
  2. Offener Brief von E.v.Braunmühl an den Autor einer erziehungswissenschaftlichen Diplomarbeit über Antipädagogik vom 15. Juni 1996
  3. Interview mit Ekkehard von Braunmühl im Kinderinformationsdienst Bonn, 3, September 1996
  4. Ist Subjektivitis heilbar? von E.v.Braunmühl,
    eine Antwort auf die Bemerkung von Hubertus von Schoenebeck im Rundbrief 5/96 des FMK, vom 29.10.96
  5. "Freundschaft mit Kindern"? von Mike Weimann (ein kurzer Überblickstext), 15.12.1997

 

 

Ekkehard v.Braunmühl, 65183 Wiesbaden, 13. Mai 1996

 

Herrn
Hubertus von Schoenebeck
nebst K. Schulte

Kopien an: Annette Böhm
Wolfgang Hinte
Bertrand Stern
Meta Sell
Mike Weimann

Lieber Hubertus,

diesen Brief schreibe ich nicht spontan, sondern nach monatelangem Grübeln. Sogar nach Erhalt der Diplomarbeit von Christian Baerbaum mit dem Vergleich "Deiner" und "meiner" Antipädagogik habe ich mir noch viel Zeit gelassen – hauptsächlich in der Hoffnung, daß mir noch eine Idee kommt, die es rechtfertigen würde, Dir und mir diesen Brief zu ersparen.

Nachdem ich Christian zu seiner Arbeit (aus der ich jetzt nicht zitieren kann, weil ich sie verliehen habe) ein paar kritische Bemerkungen geschrieben hatte, antwortete er mir am 5.3.96 ziemlich aufgeregt ("Das soll nun einer begreifen!" und dergleichen). Der Brief endet folgendermaßen:

"In diesem Sinne halte ich auch Deine Antipädagogik für bestimmte Menschen für attraktiv und vorteilhaft, die von H.v.S. für andere Menschentypen. Und natürlich die Erziehungsideologie für wiederum andere Typen. So, das war's Ciao Dein Christian"

Diese Aussage ist offensichtlich (nach dem ganzen Brief) weder als Witz gemeint noch als bewußte Trivialität (jeder findet attraktiv und vorteilhaft, was er attraktiv und vorteilhaft findet), sondern als ein irgendetwas rechtfertigendes Argument.

Als berufsmäßiger Aufklärer muß ich Wert auf Kriterien legen, die es mir und anderen erlauben, zwischen Sinn und Unsinn (Blödsinn, Schwachsinn, Irrsinn, Wahnsinn...) zu unterscheiden. Denkverbote oder Denkverzichtsappelle akzeptiere ich nicht (vgl. unten). Die Beliebigkeit als Prinzip, die aus Christians zitierten Sätzen spricht, ist in meinen Augen keine Verteidigung der Subjektivität (die ich immer richtig und wichtig finde, sofern der Subjektstatus von Menschen angegriffen oder geleugnet wird), sondern eine SCHÄNDUNG der Subjektivität (weil ihre Angreifer und Verteidiger gleichwertig nebeneinanderstehen) – mindestens, damit Du mich verstehen mußt, der meinen. Denn das Subjekt, das ich bin, legt Wert darauf, bei Bedarf über den Tellerrand seiner eigenen Subjektivität hinauszusehen, z.B. die "objektive" Tatsache in den Blick zu nehmen, daß es außer mir noch andere Subjekte gibt, mit denen ich mich verständigen möchte, besonders über "objektive", d.h. allgemein anerkennenswerte Aussagen, Erkenntnisse, Ideen – wiederum besonders über den besseren oder schlechteren Umgang zwischen Menschen (denn da gibt es "objektive", d.h. hier mindestens von außen feststellbare Unterschiede), ganz speziell zwischen den Generationen.

Du, lieber Hubertus, vertrittst öfters "antipädagogische" Ideen, erklärst diese für besser als pädagogische. Ebenso hast Du öfters geäußert, Du würdest das Lebensalter der Menschen nicht als Argument gegen ihre Gleichberechtigung akzeptieren, wie das die Erziehungsideologie tut. Du nennst Dich ja wohl auch kaum ohne Grund "Antipädagoge". Und öfters ARGUMENTIERST Du in diesem Sinne.

Ich glaube kaum, daß Du bestreiten wirst, daß man für bestimmte Ideen besser oder schlechter argumentieren kann. Ich könnte Dir demonstrieren, wie Du "pädagogische" Argumente mehr oder weniger gut als schlecht/falsch/widersprüchlich/menschenfeindlich/unseriös usw. entlarvst. Ebenso kritisch muß man auch mit antipädagogischen Argumenten verfahren dürfen. Menschen sind Subjekte, aber Argumente sind ihrem Wesen nach über-, mindestens intersubjektiv angelegt, also nicht beliebig der subjektiven Lust und Laune anheimgegeben. Von mir aus kann jeder jederzeit sagen oder schreiben, wozu er gerade Lust hat, aber wenn er keine Lust hat, die genannte intersubjektive GESCHÄFTSGRUNDLAGE des menschlichen Argumentierens anzuerkennen, dann wird er von Menschen, die diese Geschäftsgrundlage anerkennen, nicht ernst genommen.

Viele Jahre lang habe ich darüber nachgedacht, warum Du Dich selbst so oft nicht ernst nimmst. Was da bei Dir durcheinandergeraten ist. Kurz nach unserem Treffen in Köln habe ich dafür eine Erklärung gefunden, die ich Dir und den anderen TeilnehmerInnen in diesem Brief anbieten möchte. Während dieses Treffens habe ich ja noch "Wahnsinn" dazwischengeblökt, als Du Deinen "Sinn"-Text vorgelesen hast – in dem Du den subjektiven Sinn für mich unsinnig VERABSOLUTIERST.

Die Quittung für diesen "Wahnsinn" (die Revision dieser Meinung folgt gleich) besteht ja nicht nur darin, daß die Antipädagogik in der Öffentlichkeit kaum vorankommt (bei vielen Leuten sogar in Verruf geraten ist), sondern auch darin, daß Du Deine eigenen "Fans" so verwirrst, daß sie – wie die zitierten Sätze von Christian zeigen – ihr (der Antipädagogik) sogar die Existenzberechtigung absprechen, weil sie den Sinn und Zweck der ganzen Sache gar nicht mehr sehen. Wir hatten beide einmal GRÜNDE dafür (und zwar nicht NUR subjektive), antipädagogische Aufklärung zu betreiben. Einer der Gründe bestand darin, daß wir erkannt hatten, was die Erziehungsideologie anrichtet, nicht zuletzt bei Kindern. Für Christian spielt dieser Grund schon gar keine Rolle mehr, weil er (der Grund) überlagert/ausgelöscht wird durch Deine objektive/absolute Aussage, daß jeder jederzeit sein Bestes tut. So stehen bei Christian nicht nur "Deine" und "meine" Antipädagogik gleichwertig nebeneinander, sondern "natürlich" auch noch die Erziehungsideologie. Christian schreibt (in seinem Brief vom 5.3.):

"Nach dem Menschenbild von H.v.S. hat der Mensch nicht die Freiheit, gegen sein Bestes zu handeln."

Weil ich mir die Freiheit genommen hatte, die Qualität dieser Aussage in Frage zu stellen, war es Christians Bestes, mir folgende Aufklärung zu geben:

"H.v.S. legt sich die Begriffe so zurecht, daß der Mensch stets seinem Besten folgt. Na und – laß Hubertus doch! Wenn Dir diese seine Grundannahme zu blöd ist, – Du brauchst Dich nicht mit seiner Theorie auseinanderzusetzen."

Genau diesem Tip folgen denn auch die Leute (also keineswegs ihrem Besten; aber nach dieser "Theorie" folgen ja die Leute sowieso nicht ihrem Besten, sondern dieses folgt ihnen: sie sollen jeden Scheiß, den sie veranstalten, im nachhinein als ihr "Bestes" ansehen), genau die Leute, die aufzuklären wir einmal angetreten waren. Und ich kann das gut verstehen. Wenn einer als "Antipädagoge" auftritt und gleichzeitig (nicht nur subjektive Absichten entsprechend dem aktuellen Kenntnis- und Bewußtseinsstand nebst Seelenzustand, sondern expressis verbis auch) alles Denken und Tun aller Menschen unterschiedslos mit dem Prädikat "Bestes" versieht, die Existenz von Irrtümern und Fehlern bestreitet, "sein Bestes" und "das Beste" in eins setzt usw. – sogar noch im Rückblick und im Eigenurteil –, dann muß man schon ein ganz besonderer Typ sein, um diesen Menschen und seine "Ideen" ernstnehmen zu können.

Wie gesagt habe ich jahrelang vergeblich versucht, nun auch Dich zu verstehen. Also zu verstehen, warum Du einige der "antipädagogischen Grundannahmen (essentials)" so töricht formulierst und offenbar nicht in der Lage zu irgend einer Form der Selbstkorrektur bist. (Die Fähigkeit zur Selbstkorrektur habe ich schon in meinen ersten Büchern als besonderes Charakteristikum unerzogener Kinder gepriesen.) Ich habe Dir schon in Köln gesagt, daß ich mich für zukünftige Arbeiten um der Sache willen nicht mehr in der Lage sehe, auf Empfindlichkeiten Deinerseits Rücksicht zu nehmen. Es war für mich aber unbefriedigend, diese Empfindlichkeiten unter der Rubrik "Wahnsinn" zu verbuchen – jedenfalls nachdem ich mich an meine "antipsychiatrischen" Wurzeln erinnerte.

Gleich nach dem Kölner Treffen kam mir eine Idee, die mir Dein "törichtes" Verhalten verständlich erscheinen läßt.

Ich habe diese Idee sich lange "setzen lassen" und immer wieder überprüft. Jetzt meine ich, daß ich sie Dir mitteilen soll, auch um Dir Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben. (Für mich können ja Ideen, auch eigene, durchaus falsch sein.)

Die Idee ist eine Spekulation, Vermutung. Anlaß ist Dein Buch- und Veranstaltungstitel "Gast im Kinderland". Ich vermute, daß Du durch Deine intensiven und erfolgreichen Studien mit Kindern (bes. für Deine Doktorarbeit) von der Lebensart junger Kinder (ich stelle mir 3 – 5jährige vor) außerordentlich fasziniert warst und ein außerordentliches Einfühlungsvermögen in sie entwickelt hast. Das "antipädagogische Land", von dem Du öfters sprichst und in das Du nach Deinen Aussagen übergesiedelt bist, ist in Wirklichkeit eben das Kinderland. Wenn Du offensiv antipädagogisch argumentierst, tust Du dies (nach meiner Vermutung) als "Gast im Erwachsenenland". Wenn Kritik kommt oder auch nur eine skeptische Rückfrage, gehst Du früher oder später in die Defensive, schaust, horchst, fühlst in Dich hinein, in Dein wirkliches Zuhause, ins Kinderland – und reagierst entsprechend. Dies der Kern meiner Vermutung/Idee.

Nun ist es für ein fünfjähriges Kind völlig okay, wenn es abschaltet, falls es sich in die Enge getrieben und unter Druck gesetzt fühlt, falls es mit unangenehmen Tatsachen konfrontiert werden soll oder einfach keine Lust zum Diskutieren hat. Ein fünfjähriges Kind ist, soviel ich über Entwicklungspsychologie weiß, auch ganz normal (gesund), wenn es sich weigert, "über den Tellerrand seiner Subjektivität hinauszublicken" (auch wenn es dazu in der Lage wäre, könnte/dürfte man es jedenfalls nicht dazu zwingen). Auch nichterzogene Kinder betonen bei allen möglichen Pannen meiner Erfahrung nach auffällig energisch und häufig, daß sie etwas "nicht extra", nicht mit Absicht gemacht haben, woraus man ja schließen kann, daß sie ihre subjektiven Absichten tendenziell fürs Ganze nehmen und noch keine "Ader" dafür haben, "objektiv" falsche Handlungen (die sich durch ihre unerwünschten / unbeabsichtigten Folgen als solche erweisen) in aller Selbstverständlichkeit von ihren subjektiv "richtigen" (meinetwegen "besten") Absichten zu unterscheiden. "Das habe ich nicht gewollt" ist auch unter Erwachsenen eine gängige "Entschuldigung" – der Dir bekannte Henry (immer noch im Knast) hat wohl wirklich nie gewollt, daß er erwischt wird; aber im "Erwachsenenland" kommt es aus guten Gründen darauf an, was einer tut, und erst in zweiter Linie darauf, was er beabsichtigt hatte. Im Kinderland ist es okay, wenn man es ablehnt, für irgendetwas zur Verantwortung gezogen zu werden. Da zieht man nur ANDERE zur Verantwortung, z.B. indem man Eltern mit großer Energie auf fahrlässigste Versprechungen festzunageln versucht. Entgegen Deiner Behauptung sind reale Kinder eben keine "Selbstverantworter". Sie sind (das ist doch empirisch ganz klar) allenfalls "Zur-Verantwortung-Zieher", und das ist doch auch sehr vernünftig/berechtigt: Beispielsweise haben die Eltern objektiv die Macht/Verantwortung, das Kind zu ernähren, und das Kind hat nicht die Macht/Verantwortung, die Eltern zu ernähren.

Im Kinderland ist, selbstverständlich, das Erleben von SELBSTBESTIMMUNG ein hoher Wert, aber SelbstVERANTWORTUNG paßt da nicht hin. Es wäre extrem unfair, ein Kind für Handlungen zur Verantwortung zu ziehen, deren Folgen es überhaupt nicht voraussehen konnte. – Wobei mir klar ist, daß genau das in "pädagogischen" Verhältnissen geschieht. Also ist es verständlich, wenn Du – als Einwohner des Kinderlandes – allergisch dagegen bist, verantwortlich gemacht zu werden. So weit, so gut (normal/gesund/berechtigt). Aber Kinder als "Selbstverantworter" ist wohl die denkbar törichste "Alternative". Richtig wäre zu sagen, daß Kinder selbst am besten aus ihren Fehlern lernen, wenn man sie nicht zur Verantwortung zieht, sondern es ihnen (als Gesamtorganismus) überläßt, die Konsequenzen aus den Folgen ungekonnter/unzulänglicher Handlungen zu ziehen. Ich könnte mir vorstellen, daß man IM KINDERLAND sogar ohne den Begriff "Fehler" auskommen könnte: Ich will etwas machen, aber das klappt nicht. Also denke ich: Aha, die Dinge/Leute, mit denen ich das und das machen wollte, die wollen das nicht, die wollen etwas anderes. Okay, also probiere ich es ein bißchen oder ganz anders. Entweder wollen die dann so, wie ich will, oder ich probiere es noch anders, oder ich mache es einfach so, wie die wollen. – Kein Grund also für irgend einen Arsch, mich auszumeckern!

Lieber Hubertus, weil ich Dir neidlos (was vielleicht bißchen gelogen ist) zugestehe, daß Du Dich im Kinderland besser auskennst als ich, versuche ich mich nicht weiter auf diesem Felde. Falls meine Vermutung zutrifft, daß Deine "antipädagogische Lebensphilosophie" in Wirklichkeit (in Erwachsenensprache gesagt) die idealen Spielregeln für Kinder im Kinderland meint, möchte ich Dir noch bekennen, daß ich kein bißchen gegen das Kinderland einzuwenden habe, sondern im Gegenteil den Sinn und Zweck meiner Arbeit – und der Anti(psycho)pädagogik – darin sehe, dieses wunderbare Land möglichst vor all den auch Dir bekannten erwachsenen Spielverderbern zu schützen, damit die Kinder so leben können, wie sie leben wollen. Ich hätte noch nicht einmal etwas dagegen, wenn Du alter Knochen tatsächlich nicht nur Gast in diesem Land wärest, sondern es geschafft hättest, ein echter Einwohner zu werden. Und dann gälte für Dich Helmut Eisendles Satz (gleich zweimal in "Exil", S.18 und 68) nicht:

"Ein Mann kann nicht wieder zum Kinde werden oder er wird kindisch."

Also, kurz und gut, in nicht wenigen "Zimmern" in meinem Kopf würde ich Dich geradezu beneiden, wenn meine Vermutung zuträfe. Die sichtbare Lebensart von Vorschulkindern (in halbwegs akzeptabler Umgebung) kann einen schon neidisch machen, einem das Erwachsensein als "Vertreibung aus dem Paradies" erscheinen lassen. (Mein Enkel wird am 18.Mai fünf Jahre alt.)

Aber jetzt kommt das Aber.

Diese Kinder schreiben keine Bücher. Sie legen sich nicht mit Theorien/Ideologien an. Sie nennen sich nicht "Antipädagogen". Sie verzapfen zwar manchen Unsinn, täuschen aber ihr Publikum nicht mit akademischen Ansprüchen. Wenn sie sich in Widersprüche verwickeln, verbuchen das andere unter "Kindermund" und verarschen sich nicht auch noch selbst in ernsthaften Diplomarbeiten. Sie gründen auch keine Vereine, um mitfühlenden Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Weil niemand von ihnen verantwortliches Handeln erwartet, kann man ihnen auch nicht Verantwortungslosigkeit, Betrug, Ausbeutung und dergleichen vorwerfen. Sie behaupten auch nicht, politisch zu denken, wissenschaftliche oder sonstige Erkenntnisse verbreiten zu wollen usw. Deshalb richten sie keinen Schaden an (politisch, wissenschaftlich, öffentlich).

Ich brauche das nicht weiter auszuführen, will Dich aber fragen, was Du von meiner Vermutung/Spekulation/Idee hältst. Bisher erscheint sie mir als plausibel, von hohem Erklärungswert. Und natürlich ist sie mir sympathischer als der Quatsch mit dem "Wahnsinn". Du wirst aber, falls es Dir möglich ist, mir oder der Sache zuliebe mal wieder im Erwachsenenland vorbeizuschauen, verstehen, daß ich den Schaden, den Du der Sache der Erwachsenenaufklärung in der Öffentlichkeit zufügst, möglichst zu begrenzen versuchen muß.

Wie Du Dich vielleicht erinnerst, empört mich an der Erziehungsideologie besonders das Betrügerische, die Falschspielerei. Ich unterstelle Dir nun nicht, daß die Falschspielerei, die meine Vermutung Deinem subjektiven "Land"-Durcheinander "objektiv" zuschreibt, von Dir jemals bewußt beabsichtigt war. Im Gegenteil: Wenn meine Vermutung zutrifft, geht sie natürlich so weit, daß erst dieser Brief Anlaß dafür sein könnte, daß Dir bewußt wird, was da geschehen ist. Die Frage ist, ob Du Dir von dieser Idee überhaupt etwas sagen läßt, und gegebenenfalls was.

Lieber Hubi, Du kannst Dich so schnoddrig (flapsig, gleichgültig) geben, wie Du magst – ich weiß, daß Du ein außerordentlich bewußter, differenzierter, sensibler und intelligenter Mensch bist. Zum Beispiel zeigst Du bei der Analyse erziehungsideologisch infizierter Texte bewundernswerten Über- und Durchblick (Scharfblick). Ich würde es verstehen, wenn die Enttäuschung darüber, daß die Erwachsenenwelt Dein intensives Engagement für die antipädagogische Aufklärung nicht durch direkte und massenhafte Einsicht und Dankbarkeit honorierte, Dich dazu veranlaßt hätte, die Erwachsenenwelt innerlich generell abzuwerten (außer den wenigen "Fans") und Dich gefühlsmäßig – zumindest in defensiven Situationen – ins Kinderland zurückzuziehen. Ich würde auch verstehen, wenn Du diesen Rückzug subjektiv als Fortschritt erleben würdest. Ich möchte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, ich hielte das Erwachsenenland für besser/schöner/wahrer/wertvoller als das Kinderland. Ich finde, daß beide Länder spezifische Vor- und Nachteile haben. Wenn man der Meinung ist, daß das Alter der Menschen auf existentieller Ebene keinen Einfluß auf ihren Wert, ihre Würde usw. haben darf, muß man von der "objektiven" (grundsätzlichen) Gleichwertigkeit beider Länder ausgehen, egal, wo es einem persönlich besser gefällt.

Aber Gleichwertigkeit, wem sage ich das, ist nicht Gleichheit. Wenn beide Länder gleich wären, würdest Du nicht dafür werben, daß andere Leute auch ins Kinderland umziehen. Nichts gegen diese Werbung – wenn Du dabei mit offenen Karten spielst. Tatsächlich ist es aber bisher so, daß Du in Schrift und Wort auf der Erwachsenenbühne agierst und dabei, zumindest in der Offensive, so tust, als würdest Du die Spielregeln der Erwachsenenwelt akzeptieren und einhalten. Ich bin nicht sicher, ob Falschspieler nicht auch im Kinderland als Spielverderber angesehen werden. Jedenfalls gelten sie im Erwachsenenland, sofern sie durchschaut sind, als Betrüger, Scharlatane oder bestenfalls als ein bißchen minderbemittelt. Auch wenn sie nicht als Falschspieler durchschaut werden, spüren die meisten Erwachsenen doch irgendwie, daß sie da jemand an der Nase herumführen will. Sie spüren das spätestens dann, wenn sie genau das zu tun versuchen, was Du ihnen vorschlägst, wenn sie also Deine Aussagen ernst nehmen, nachvollziehen und an der Lebenspraxis überprüfen. Dann kommen die Widersprüche und Verrücktheiten, die in Deinen Aussagen stecken (und die im Kinderland vielleicht wirklich allesamt irrelevant sind), unweigerlich zum Vorschein. Dann haben sie nur noch die Wahl, die ganze Sache als idiotisch oder utopisch oder idealistisch usw. abzutun, oder "Hubi-Fan" zu werden. In Köln hast Du (sinngemäß) mehrfach geäußert, daß Du mit letzterem zufrieden bist, selbst wenn das in den nächsten zehn Jahren nur ein paar Leute wären. So denken z.B. die Hütchen-Spieler, die zufrieden sind, solange sie noch ein paar Doofe finden. Ich fände, ehrlich gesagt, sogar Kinder mit dieser Mentalität (falls es sie gäbe) unsympathisch, obwohl sie sich selbst wahrscheinlich superschlau vorkommen. Aber egal, jedenfalls ist die Aussage, daß es allen Menschen besser ginge, wenn alle Menschen Hütchenspieler würden, objektiv und definitiv (leicht beweisbar) falsch/bekloppt. Und die Tatsache, daß es immer noch Hütchenspieler gibt und die auch noch Opfer finden, widerlegt dieses Urteil mitnichten.

Lieber Hubertus, ich bin darauf gefaßt, daß Du bestreitest, daß es überhaupt Falschspieler gibt. (Da wäre ja was "falsch".) In der Wirklichkeit gibt es sie aber doch. Du kannst die – oder sogar Deine – Subjektivität noch so sehr verabsolutieren – in der Erwachsenenwelt gelten andere Regeln. Da ist man nicht nur einfach so verbal "selbstverantwortlich", sondern da kann man auch zur Verantwortung gezogen werden. Da nützt es nichts, wenn man sich die Augen zuhält und ernstlich glaubt (oder zu glauben behauptet), man wäre dadurch unsichtbar. Für kleine Kinder ist das okay, auf der Erwachsenenbühne nicht. Ehrlich, fair, "mit offenen Karten" zu spielen, würde von Dir verlangen, die Leute nicht mehr über Deine wahren Absichten zu täuschen. Es ist nicht verwerflich, beispielsweise "esoterische" Bücher über "innere Kinder" und so zu schreiben, alle möglichen (nichtkriminellen) Sekten zu gründen oder sonstwie zu probieren, für private Hobbies ein paar Gleichgesinnte und Sponsoren zu finden. Wenn Du dies nicht unter den Stichworten "Antipädagogik" oder "Kinderrechtsbewegung" tätest, unter dem Deckmantel akademisch-wissenschaftlicher Seriosität usw., also auf dem Felde, auf dem ich beruflich als Aufklärer (= Entlarver von u.a. Falschspielern, ob sie sich nun "Pädagogen" oder "Antipädagogen" nennen) tätig bin, könnte mir das wurscht sein. So aber bin ich von der "objektiven" Wirkung Deiner Tätigkeit auf der Erwachsenenbühne mitbetroffen und verpflichtet, der von Dir mißbrauchten Antipädagogik Hilfe zu leisten.

Falls Deine Beschreibung des Kinderlandes stimmt, wenn also dort wirklich freie, lebendige, kreative und kooperative Wesen zu Hause sind und nicht zwanghaft sture und konkurrenzfixierte Betonköpfe, dann können wir uns sicher mal hier und mal dort treffen und Wege erkunden, die uns beiden allerlei Peinlichkeiten in der Öffentlichkeit ersparen. Ich jedenfalls würde unter ihnen leiden, kann sie aber nicht unbegrenzt vermeiden, wenn ich immer deutlicher sehe, daß dies der mir sehr wichtigen Sache (der Kinder, des Friedens etc.) extrem schadet. Ich suche ehrlichen Herzens einen anständigen Ausweg, mit dem wir beide zufrieden sein können.

Lieber Hubertus, ich habe aus Zeitgründen diesen Brief (damit er sich nicht weitere Monate verzögert) einfach so runtergeschrieben. Ich bin nur halbwegs mit ihm zufrieden; kürzer und prägnanter wäre besser gewesen. Aber ich bin jetzt in großer Eile, und mir fallen nur noch Ergänzungen ein. Bei unserem Job kommt es – im Erwachsenenland – sehr auf die Wortwahl an, wenn man richtig verstanden werden will. Das wende ich gleich mal auf diesen Brief an und korrigiere: Was Du gewiß nicht als Falschspielerei meinst, was also VON INNEN nicht so aussieht, sieht aber VON AUßEN so aus. Kindern ist (mehr oder weniger) EGAL, wie was von außen wirkt – was SIE SELBER machen. Umgekehrt sehen sie BEI ANDEREN (mehr oder weniger) nur die Außenwirkung. (Deshalb betonen die Eltern so oft, daß sie nur das Beste wollen.) Als Kinderländler magst Du also so stur wie Du willst auf Deinen privaten Innenansichten bestehen und Deine persönliche Subjektivität fürs Ganze nehmen. Als Gast im Erwachsenenland wirst Du trotzdem nach den Regeln Deines Gastlandes beurteilt – von Erwachsenen erwarten Erwachsene, daß sie die Regeln der Gastgeber respektieren, wenn sie das Gastrecht nicht mißbrauchen/entzogen bekommen wollen. Ich frage mich und Dich, ob Du Dich – als angeblicher Kommunikationsprofi! – so ausdrücken willst, daß Du VERSTANDEN wirst gerade von Leuten, denen Deine Ideen/Erkenntnisse/Einsichten/Forderungen neu sind und zunächst befremdlich erscheinen müssen, oder ob Du Dich so ausdrücken willst (wie es für selbstdenkende Menschen von außen mittlerweile wirkt), daß Du DIE Leute selektierst, die jeweils schon mit Dir einig sind, im "Bauch" oder im "Herzen". Dann wäre es (von außen) Falschspielerei, Betrug, jedenfalls Lüge, wenn Du Dich als Aufklärer, Neuerer oder so ausgibst.

Meiner Meinung und Motivation nach sind die antipädagogischen Erkenntnisse für alle Menschen nützlich und müssen daher "SOZIALISIERT" (d.h. zum Allgemeingut gemacht) werden. Du dagegen, so wirkt es auf mich seit längerer Zeit, hast sie PRIVATISIERT, vielleicht ohne es selbst zu bemerken.

Wenn alles, was Du tust, schon von vorneherein "das Beste" ist, tust Du mir wirklich leid. Von außen nennt man das das "Erstbeste", und das tut jeder Regenwurm. Ich weiß, daß Du einen sehr gut funktionierenden Verstand hast. Solltest Du es als Kinderländler ablehnen, ihn zur aufklärenden Information zu benutzen, ist Dir das unbenommen. Wenn Du aber unter dieser Flagge bloß ausbeuterische Selektion betreibst, bist Du genauso ein Betrüger (oder krank) wie diejenigen, gegen die das "Anti" sich angeblich richtet. Ich kann nicht glauben, daß Du diesen Eindruck (nach außen) absichtlich hervorrufen willst. Aber unbegrenzt ignorieren kannst Du – oder jedenfalls ich – ihn auch nicht.

So. Zum Schluß möchte ich noch die Kölner Treff-Teilnehmer-Innen bitten, diesen Brief als intern(?) zu behandeln. Mich interessiert sehr, was Ihr von meiner Vermutung haltet, nach Euren Beobachtungen. Ich muß ja, auch wenn Hubi mir nicht – so oder so – weiterhelfen sollte, meine diesbezüglichen Blockaden demnächst – auch so oder so – beiseiteräumen. Und bekanntlich traue ich meinen Gedanken nicht ohne weiteres.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

Mit den besten Grüßen und Wünschen, besonders an Hubertus,

von Eurem Ekki

P.S. Wenn "Papierkrieg" vermeidbar wäre, fände ich das ganz toll.

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Ekkehard v.Braunmühl, Walramstr.8, 65183 Wiesbaden, 0611-405300

15. 6. 1996

Kopien dieses Briefes gehen, aus finanziellen Gründen, nur an wenige Zaungäste, unter ihnen:

Peter E. Kalb (Beltz Verlag), Dr. Hubertus von Schoenebeck (FMK), Meta Sell (K.R.Ä.T.Z.Ä.), Hans Weingartz (kid), Annette Böhm, Michael von Braunmühl, Prof. Marianne Gronemeyer, Prof. Wolfgang Hinte, Dr. Hermann Krekeler, Prof. Otmar Preuß, Dieter Schneider, Bernd Sensenschmidt, Bertrand Stern, Christiane Gräfin Stolberg.

 

Lieber Chr.

(Dein Name ist abgekürzt, weil ich nicht weiß, ob Du damit einverstanden bist, hier so vor Zaungästen auf Deine Diplomarbeit angesprochen zu werden.)

Mitte Februar 1996 warst Du so freundlich, mir Deine erziehungswissenschaftliche Diplomarbeit zuzuschicken. In dieser Arbeit vergleichst Du "Antipädagogik nach Ekkehard von Braunmühl" mit "Antipädagogik nach Hubertus von Schoenebeck" (und gehst auch auf die päd. Kritik an beiden ein).

Ich habe Dir am 29.2.96 (2 Seiten handschriftlich) gedankt, u.a. dafür, daß Du mir "die Augen geöffnet" hast; Du hast Dich am 5.3.96 (dito) nochmals dazu bekannt, "mit H.v.S.’s Gedanken zu sympathisieren", obwohl sie "etwas Schizophrenes" haben bzw. "ein 'schizophrenes Moment'" enthalten. Am Schluß hast Du ernsthaft behauptet, Du hieltest meine ("Deine") "Antipädagogik für bestimmte Menschen für attraktiv und vorteilhaft, die von H.v.S. für andere Menschentypen. Und natürlich die Erziehungsideologie für wiederum andere Typen."

Jetzt habe ich mehr als drei Monate darüber nachgedacht, was mir an dieser Formulierung – und Deiner ganzen Arbeit – gleichzeitig so wichtig/wahr und so unbegreiflich/ungeheuerlich vorkommt. Nun glaube ich, den Zusammenhang zu durchschauen; jedenfalls unter einem bestimmten Aspekt, der zugleich vieles erklärt, was ich in den letzten Jahren einfach nicht verstehen konnte. (Zum Beispiel die Stagnation der "anti(psycho)pädagogischen Aufklärung" trotz meiner intensiven Weiterarbeit.) Ich schreibe hier einfach mal auf, was ich mit Deiner Hilfe verstanden habe.

Ich nehme zur Kenntnis (habe erkannt), daß Du den Schoenebeck'-schen Subjektivierungswahn (den in Wirklichkeit Max Stirner vorgekaut hat) nicht durchschaust, obwohl er Dich zwingt, zwei Antipädagogiken und die Erziehungsideologie auf derselben Ebene nebeneinanderzustellen. (So wird aus der Antipädagogik eine Alternativpädagogik. Probiere das mal mit Antifaschismus/Alternativfaschismus.) Doch ist dies nicht mein zentraler Punkt. Der betrifft HvSch’s und meine "Antipädagogik". Ich werde Dir (und den Zaungästen) in diesem Brief beweisen – und bitte Dich (und sie) um Bestätigung oder Gegenargumente –, daß HvSch’s "antipädagogische Lebensphilosophie" nach allgemein (bislang auch von HvSch und Dir) anerkannten Regeln der Logik nicht beanspruchen kann, auf derselben Ebene wie die in dem gleichnamigen Buch von mir begründete "Antipädagogik" zu stehen, schon gar nicht als gleichwertig. Deine Aussage betr. "attraktiv und vorteilhaft" ist einerseits eine Trivialität a la "Die Geschmäcker sind verschieden", dient aber andererseits als (von Dir wohl kaum beabsichtigte) Strategie der Verschleierung:

Ob theoretische Aussagen "attraktiv und vorteilhaft" gefunden werden, ist eine Sache; ob sie Sinn oder Wahnsinn enthalten, eine ganz andere. Viele Leute fanden den Faschismus attraktiv und vorteilhaft... Objektiv (in Wirklichkeit) beleidigst Du sogar HvSch und be-streitest seine Existenzberechtigung als "Antipädagoge", wenn Du seine Aussagen auf die gleiche Stufe stellst wie die Erziehungsideologie. So definierst Du ihn (und mich) um zum Alternativpädagogen. (Was für HvSch aber durchaus eine Aufwertung bedeuten könnte.)

Der angekündigte Beweis ist ganz einfach, setzt aber die Anerkennung von ein paar der o.g. Regeln voraus. Kommunikation die beste oft statt Herz zu von Herz (Körper zu Körper, Seele zu Seele) Worte findet ohne. Disen thesche Verdes des des Geistes Job absind er oretider kussiotan. "Endarchinderu!" ("Durcheinander!") Der Silbensalat (den Wörtersalat vorher konntest Du wahrscheinlich noch verstehen, d.h. selber in Ordnung bringen) hieß, als er noch in Ordnung war: Aber theoretische Diskussionen sind der Job des Verstandes, des Geistes. Wenn ich Silben- oder gar Buchstabensalat produziere, weil mir das subjektiv so gefällt, darf ich mich nicht beschweren, wenn die anderen mich nicht verstehen, nicht mal verstehen wollen. Das aber tat HvSch, z.B.: "Es ist einfach unbefriedigend, wenn unsere Erkenntnisse permanent auf grundlegende Ablehnung stoßen." (Zu A. Flitner in WPB 11/1983) Heute beschwert sich HvSch nicht mehr (meines Wissens), verweist aber kritisch Rückfragende gern des Saales, verweigert Antworten, definiert sich als "Künstler", dessen Bilder man eben möge oder nicht, sagt "Diskussionen sind krankhaft" und so ähnliche Sachen.

Auch Du hast mir geschrieben (Brief vom 5.3.): "H.v.S. legt sich die Begriffe so zurecht, daß der Mensch stets seinem Besten folgt. Na und – laß Hubertus doch! Wenn Dir diese seine Grundannahme zu blöd ist, Du brauchst Dich nicht mit seiner Theorie auseinanderzusetzen."

Dieses letztere habe ich jahrelang auch gedacht und entsprechend gehandelt. Inzwischen wurde mir von vielen Seiten deutlich gemacht, daß HvSch es geschafft hat, daß die Leute deshalb auch keine Lust mehr haben, sich mit meiner Arbeit auseinanderzusetzen. Auf HvSch's neuere (nicht bloß von anderen abgeschriebene) "Theorie" ist ja für selbstdenkende Leute nur noch ein "Antipädagogik? Nein Danke!" möglich. Denn HvSch produziert (statt Wort-, Silben-, Buchstabensalat) Gedankensalat.

In diesem Brief kann ich nicht in Einzelheiten gehen (daran arbeite ich derzeit auch), aber mit Hilfe Deiner Diplomarbeit kann ich wenigstens die grundsätzliche Frage beantworten, in welchem Verhältnis die von mir für äußerst wichtig erachtete "anti(psycho)pädagogische Aufklärung" zu HvSch's "antipädagogischer Lebensphilosophie" steht.

An bestimmte Regeln der Sprache habe ich schon demonstrativ erinnert. Ohne die funktioniert Verständigung (vgl. "Verstand") schwerlich. Entsprechend ist es mit einigen Regeln des Denkens, des Geistes, der Logik. Die gelten nicht "absolut", aber im Interesse vernünftiger Auseinandersetzung sind sie allgemeine Übereinkünfte, d.h. sie sind nicht der subjektiven Willkür unterworfen. Und sie gelten nicht nur für die Kommunikation, sondern auch bei der Erkenntnisgewinnung.

Jetzt bitte ich Dich also, anzuerkennen, daß die Begriffe "Apfel", "Birne", "Obst" nicht auf derselben logischen Ebene stehen. Apfel und Birne stehen auf derselben log. Ebene, Obst auf einer anderen. Ob man die höher oder niedriger nennt, ist egal, aber meist nennt man die Obstebene "höher" und spricht von der Abstraktionsleiter (auf der z.B. Lebensmittel höher steht als Obst und Gemüse) bis hin, z.B., zu den "höchsten Werten". (Dreht man die Leiter um, heißen sie die "Grundwerte".) Weil "über/unter" und "höher/tiefer" von sensiblen Leuten gern emotional beladen wird, sage ich nur, daß Obst auf einer anderen Ebene steht als Apfel und Birne. Theorien über Theorien bzw. Theorien, die Theorien analysieren, vergleichen, bewerten und gegebenenfalls widerlegen, werden oft Meta-Theorien genannt. Das klingt, hoffe ich, auch für Dich neutral genug. Obst ist meta zu Äpfeln, Birnen und evtl. verfaulten Erdbeeren. Antipädagogik ist meta zu allen Pädagogiken. Deshalb habe ich in der AP (dem Buch von 1975) das Gemeinsame aller Pädagogiken und Erziehungstheorien herausdestilliert und als Ideologie (d.h. als falsch, widersprüchlich, (selbst)betrügerisch usw.) entlarvt. HvSch hat das verstanden und übernommen. (Nebenbei gesagt: dadurch habe ich mich korrumpieren lassen und ihn als Freund betrachtet.) AP ist kritische Theorie, sie ist logisch meta zu den päd. Theorien. Antipädagogik war ursprünglich und ist notwendig (aus logischen Gründen) auf der Obstebene angesiedelt, wenn die diversen päd. Theorien als Äpfel, Birnen usw. fungieren.

Diese Meta-Ebene hat HvSch bald wieder verlassen. Sie ist nur geistig erreichbar, nicht mit dem "Herzen". HvSch wurde (was ich leider erst kürzlich in voller Tragweite erkannte) vom Aufklärer zum Sektengründer und Guru. Daß er sich "Antipädagoge" nennt, ist dabei nur Mittel zum Zweck. Ich habe mit dem Unsinn zwar angefangen (Berufsbezeichnung "Antipädagoge"), aber nur aus Spaß, zur Provokation, und damit sofort aufgehört, als (1980) Wolfgang Hintes "Non-direktive Pädagogik" erschienen war.

HvSch aber hat ganz im Ernst und immer antirationaler eine "antipädagogische Philosophie" und "Lebensweise" ausgebrütet und betrachtet das als Fortschritt. Logisch aber ist das der Schritt fort von der Meta-Ebene des Obstes hin zu der Ebene der Äpfel und Birnen. HvSch’s "Weltanschauung" nennt sich zwar (fälschlich) "antipädagogisch', steht aber logisch neben allen anderen Weltanschauungen. Anspruch und Potenz der Meta-Ebene sind aufgegeben. HvSch hat den Überblick verloren. Er wirbt um Menschenseelen und -herzen wie jeder andere Guru auch, aus rein egoistischen Gründen. HvSch mißbraucht den seriösen Meta-Begriff AP, um auf den unseriösen "Freundschaft-mit-Kindern Förderkreis e.V." aufmerksam zu machen, der ihn materiell und emotional nährt. Er will die Leute nicht informieren, sondern selektieren – nach ihrer Tauglichkeit und Bereitschaft, ihn als Guru zu akzeptieren und zu finanzieren. Statt die AP zu sozialisieren (d.h. möglichst zum Allgemeingut zu machen), hat er sie privatisiert.

Ich untersuche diese Entwicklung zur Zeit genauer, aber die genannten Gründe reichen für mich schon aus, keinesfalls zu akzeptieren, daß Du mich bzw. meine Arbeit betr. AP auf die gleiche Ebene stellst wie HvSch. Dabei geht es nicht um eine (gar meine) "reine Lehre", sondern schlicht um Vernunft und Redlichkeit. Ich bin kein besserer Mensch als HvSch, aber AP ist meta zu seiner "Philosophie", weshalb die schon gleich mit einem Etikettenbetrug beginnt. Man kann (logisch) Äpfel mit Birnen vergleichen, aber nicht Äpfel mit Obst. Sonst produziert man Gedankensalat, im Falle HvSch eine private Mischung aus Trivialität und Wahnsinn. Metaphorisch ziemlich exakt formuliert:

Wenn die AP als Obst fungiert, ist HvSch’s "Philosophie" teilweise ein Obstkuchen, hauptsächlich aber ein wurmstichiger Apfelkuchen – oder verschimmelte Erdbeermarmelade –, obendrein für Leute mit Geschmack (nach deren massenhafter Auskunft) schlicht ungenießbar. Auf jeden Fall ist ein Obstkuchen kein Obst, und ein Apfelkuchen ist das noch weniger. Nur wer mit dem "Bauch" denkt und bemitleidenswert ausgehungert ist, kann darauf reinfallen und "fressen", was ihm da als "Antipädagogik" verkauft wird. Für alle anderen wird dieser sinnvolle Begriff ("Obst" – AP) zum Brechmittel. (Nur hat das noch niemand genauer analysiert.)

Die vorstehenden Urteile muß ich begründen. Deine Diplomarbeit macht mir das leicht. Sie zeigt mit dankenswerter Klarheit, wohin HvSch’s unausgegorener und unverdaulicher "Obst"salat, pardon: Gedankensalat führt. Zitat:

"Das antipädagogische Menschenbild ist ebenso eine anthropologische Prämisse wie das pädagogische und diesem als eine mögliche Sicht vom Menschen gleichrangig." (S.58)

Kommentar: Dies ist ein geistiger Taschenspielertrick a la HvSch. Der folgende Satz (von mir) macht ihn durchschaubar:

"Der Obstsalat ist ebenso ein Nahrungsmittel wie der Apfelkuchen und diesem als ein möglicher Nachtisch gleichrangig." Tatsächlich basiert AP auf keinem "Menschenbild", sondern auf einer nicht pädagogisch verzerrten (ideologisierten) Sicht auf die Realität aller Menschen (jeglichen Alters). AP konstruiert gerade keine "anthropologischen Prämissen", sondern ist meta zu diesen. Deshalb hieß das Buch, in dem ich das Kindermensch-Paradigma und das Mindermensch-Paradigma als zwei alternative "Kinderbilder" beschrieb, im Untertitel "Jenseits von Pädagogik und Antipädagogik". Merkst Du wirklich nicht, wie sehr Du Dich von diesem Apfelkuchen-Dilettanten hast veräppeln lassen? Hier nochmals der Trick:

"Die Geldgier des Raubmörders ist ebenso ein menschliches Motiv wie der (im Todesschrei artikulierte) Lebenswille des Überfallenen und dieser (der Geldgier des Raubmörders) als einer möglichen Interpretation der Interessenlage gleichrangig." (EvB) Der objektive Unterschied zwischen Täter und Opfer ist wie weggezaubert.

Richtig ist Deine Aussage: "Schoenebeck versteht die Antipädagogik als Lebensphilosophie", als "kulturelle Auswanderung in ein anderes Land" (S.81). Vielleicht interessiert es Dich, daß ich HvSch kürzlich meine Vermutung mitgeteilt habe, bei diesem Land handele es sich in Wirklichkeit um das "Kinderland" (vgl. sein Titel: "Gast im Kinderland"). Dort herrscht echte Gedankenfreiheit, man wird (idealerweise) nicht verantwortlich gemacht, wenn man unverantwortlich handelt, man verschwindet, wenn man sich die Augen zuhält, man hat keine Ader für politische Dimensionen, logische Zwänge, intersubjektive geistige Pflichten. Das ist völlig okay. Aber die Vorschulkinder von HvSch’s "Kinderland" treten nicht als Akademiker auf, gründen keine Vereine für Sponsoren, faseln nicht von "Konzepten", "Theorien", "Philosophie". Und sollten sie es tun, verbuchen das die Leute unter "Kindermund", anstatt es gleichrangig neben die Arbeit seriöser Wissenschaftler zu stellen. (Ein paar Leute, die HvSch kennen, haben die gen. Vermutung inzwischen bestätigt; eine Stellungnahme von HvSch habe ich noch nicht.)

Weiter zu den Gründen für mein o.g. Urteil. Leider muß ich mich hier auf wenige Punkte beschränken. Sehr viel Falsches in Deiner Arbeit wäre zu korrigieren. Aber ich greife hier nur einige Aussagen von Dir auf, die ich ausdrücklich als richtig anerkenne.

Die erste betrifft die "mögliche zukünftige Annäherung" zwischen HvSch und EvB. Über mich schreibst Du da:

"Er müßte die Begriffswelt Schoenebecks ... als – nicht nur in psychischer, sondern auch in gedanklicher Hinsicht – gleichwertig akzeptieren." (S.89) Genau das werde ich gewiß nicht tun. Genau so hat auch Frau Dr. Prekop (die Masochistin, die das kriminelle "Festhalten", die Vergewaltigung bes. kleiner Kinder, propagiert, damit die auch zu Masochisten werden) "argumentiert": Komm in meine Arme, dann wirst du "erneuert" und endlich "verstehen". Nein Danke! – Dein nächster, den Abschnitt abschließender Satz lautet denn auch ahnungsvoll: "Damit hätte er sich allerdings schon in die Nähe von Schoenebecks Lebensphilosophie begeben." (S.89) Genau. Die Meta-Position wäre aufgegeben, der Überblick verloren. Im übrigen lehne ich es ab, etwas überhaupt nur "Begriffswelt" zu nennen, was zentrale Regeln des begrifflichen (abstrakten) Denkens und Formulierens geradezu verhöhnt. Nur ein Beispiel (aus Deiner Arbeit):

"Antipädagogen bewerten nichts an sich als schlecht. Sie kommen mit einem einzigen Schritt ('So will ich sein!') zur Veränderung." (S.132)

Der zweite Satz ist in seiner Aussage, bitte verzeih' mir, reiner Schwachsinn: Bloß weil HvSch sich offenbar ständig einredet: "Ich liebe mich, so wie ich bin" (sein Buchtitel) und sich (manche würden das schwer neurotisch nennen) vormacht, daß er so, wie er gerade jeweils "ist", auch sein "will", bloß weil also seine "Theorie" (zu deutsch: sein Gedankensalat) erhoffte, geplante, erkämpfte (auch: mißlungene und bereute) Veränderungen nicht vorsieht, sondern ihm alles – angeblich – passiert ("spontan", "authentisch", "mit einem einzigen Schritt"), kurz (und damit komme ich zum Subjekt des zweiten Satzes): bloß weil HvSch Quatsch verzapft, tun das noch lange nicht alle "Antipädagogen". Indem Du mich da einbeziehst, darf ich jetzt auch den ersten Satz als schlichte Falschmeldung bezeichnen. Ich bewerte vieles an mir als schlecht. Unverfängliches Beispiel: mein Personengedächtnis. Aussagen wie die zuletzt zitierte sind nach den Regeln der Logik bereits durch einen einzigen Gegenbeweis widerlegt. Warum fällt einem intelligenten Menschen wie Dir nicht auf, was Du da für einen Unsinn geschrieben hast? Oder gebrauchst Du absichtlich das Wort "Antipädagogen" nur als eine Art pluralis majestatis für Dr. Hubertus von Schoenebeck?

Noch'n Zitat: "Antipädagogen vernachlässigen es zwar größtenteils bei ihrer Argumentation, erkennen aber pädagogische Erziehungsbegriffe und Menschenbilder als mögliche, reale und gleichberechtigte Vorstellungen von Erziehung und vom Menschen an." (S. 137; von "erkennen" bis Ende bei Dir sogar kursiv geschrieben.)

Kommentar nochmals: Ich nicht! (Da Du mich ja bei "Antipädagogen" einbeziehst.) Ich bin dafür, aus der realen, objektiven, zwingend beweisbaren Subjekthaftigkeit der Menschen spätestens ab Geburt die Konsequenz zu ziehen, sie alle als existentiell gleichberechtigt anzuerkennen. Ich bin nicht dafür, alle möglichen "Vorstellungen" dieser Subjekte als gleichberechtigt anzuerkennen. Vorstellungen sind keine Subjekte mit verletzlichem Organismus, leidensfähiger Seele, vitalen Interessen etc., sondern sie sind Produkte der Menschen und deshalb weder gleichberechtigt noch gleichwertig. Ist für Dich, auf Auto-Ebene, ein flotter Flitzer nicht mehr wert als ein Haufen Schrott? Würdest Du einem Architekten trauen, der seine Berechnungen nicht durch Gegenproben absichert, weil er denkt, alle Rechenergebnisse seien gleichberechtigt, wie "falsch" sie in den Augen "objektivistischer" Banausen auch nachweislich sind?

Ein "Antipädagoge", der genau die päd. Vorstellungen, gegen die sich sein Anti richtet, als gleichberechtigt neben die seinen stellt, mag sich als bescheiden empfinden; tatsächlich ist das nur sein Denkvermögen. Wenn er nicht die Leute, wie z.B. die Hütchenspieler, absichtlich auszutricksen versucht, fehlt es ihm – objektiv – einfach an Kompetenz. (Bitte widersprich mir, wenn Du kannst!) Damit komme ich zum Schluß, zu Deinem "Schluß". Der Schluß Deiner Arbeit lautet:

"Weder antipädagogische noch pädagogische Menschenbilder und mit ihnen die entsprechenden Ideologien und Konzepte lassen sich wirklich beweisen. Dementsprechend macht die pädagogisch-antipädagogische Diskussion dann Sinn, wenn sie als Austausch zwischen Dialogpartnern verstanden wird, die ihre jeweilige Wahrheit zu verkünden haben." (S.144)

Kommentar: Diese Deine Aussage wäre z.B. zutreffend für Anhänger unterschiedlicher Offenbarungsreligionen. Für solche unüberprüfbaren "Wahrheiten" und dogmatischen "Verkündungen" sind die meisten heutigen Menschen sich zu schade, und ihre Kinder erst recht! Nichts gegen einen Dialog zwischen Apfelsaft- und Kirschsaft-Produzenten (und -Konsumenten; die unterschlägst Du bezeichnenderweise). Aber das "dementsprechend" beruht wieder auf dem betrügerischen Taschenspielertrick, die AP von der Obstebene auf die Apfel- und Birne-Ebene zu zaubern. Da kannst Du gleich noch das pädophile Menschenbild danebenstellen, das scientologische und und und. Alles ist gleichrangig, gleichwertig, beliebig. Nichts ist beweisbar, nichts widerlegbar. (Das hätte HvSch wohl gern!) Es gibt keine Kriterien und Maßstäbe, alle Unterschiede sind subjektiv, Geschmacksfragen. Kein Wunder, daß Du kurz vorher in einer rückblickenden Zusammenfassung Deiner Arbeit geschrieben hast (ich zitiere den Absatz vollständig und ohne Kommentar):

"Was Schoenebeck und seine Antipädagogik angeht, habe ich festgestellt, daß es nicht möglich ist, zu seinem Selbstverständnis und seiner Logik vorzudringen, ohne das Denksystem objektiver Wahrheiten zu verlassen. Das durchschlagende Element seiner Antipädagogik bleibt unverständlich, wenn diese vor dem Hintergrund objektiv richtiger und falscher Erkenntnisse beurteilt wird. Weiterhin habe ich gefolgert, daß, wenn Schoenebecks Gedanken konsequent weitergedacht werden, es objektiv nicht feststellbar ist, was Antipädagogik ist und was nicht bzw. wer antipädagogisch ist und wer nicht." (S.l42)

Lieber Chr., eigentlich hast Du HvSch ja ganz gut durchschaut und öfters kräftig geohrfeigt. Deshalb wage ich zu hoffen, daß Du auch an einer Klärung des Taschenspielertricks bzgl. "subjektiv/objektiv" (den Du in Deinem Brief mit dem Wort "schizophren" in Verbindung brachtest) interessiert bist. Ich bin gerade dabei, diesen Trick zu entlarven, wollte Dir aber die Ehre geben und diesen Brief vorziehen.

Um Mißverständnisse zwischen uns zu vermeiden: Gurus sind Menschen, Subjekte, wie Wissenschaftler. Alle Aussagen von Menschen sind subjektiv motiviert, aber das beschreibt nur ihre Quelle, nicht ihren Inhalt, ihr Thema, ihren Geltungsanspruch, Wahrheitsgehalt usw. Zum zweiten sind Aussagen von Menschen mehr oder weniger perspektivisch (oder auch konstruktivistisch) "eingefärbt". Gerade deshalb müssen Aussagen, deren Inhalte andere Menschen, objektive Sachverhalte, Theorien etc. betreffen, überprüfbar sein; gerade deshalb gibt es Kriterien, um Wahrheit von Lüge zu unterscheiden (z.B. Beweise und Gegenbeweise) etc. pp. Wer lügt, steht deshalb nicht unter dem, der nicht lügt; sie haben beide ihre subjektiven Gründe. Aber ihre Aussagen sind nicht gleichwertig. Wer jemandem den objektiv falschen Weg zum Bahnhof zeigt, führt in die Irre. Vielleicht findet der Genasführte auf dem objektiv falschen Weg subjektiv das Glück seines Lebens, aber die Auskunft war doch falsch und von den Folgen her gesehen vielleicht "richtig" (für das gen. Glück), aber dann wäre die gegenteilige Auskunft "falsch" gewesen, wiederum jedenfalls nicht gleichwertig. Auch "richtig" und "falsch" wird oft auf verschiedenen Ebenen gebraucht, und wer die Regeln, mit deren Hilfe diese Ebenen unterschieden werden können, nicht akzeptiert oder nur nicht einhält, ist selbst Opfer seiner Verwirrtheit, oder er verwirrt andere mit Absicht. Jedenfalls ist er kein Aufklärer. Ich denke (subjektiv), HvSch ist ziemlich genau so ein "Antipädagoge", wie die Figuren, von denen man manchmal hört – die von kräftigen Leuten in weißen Kitteln betreut werden –, tatsächlich, nur weil sie das behaupten und vielleicht sogar ehrlich glauben, Jesus oder Napoleon sind. (Ich erinnere Dich an Deine Bemerkung über HvSch’s AP: "Diese akzeptiert keine der subjektiven Einbildung überlegene Realität." (S.130)

Ich bitte Dich, mich zu verstehen. Vor ziemlich vielen Jahren (das AP-Buch hat mich zehn Jahre Arbeit gekostet, als Nichtakademiker, Hilfsarbeiter) bin ich angetreten (anläßlich meiner eigenen Vaterschaft), die extrem schädliche Erziehungsideologie zu entlarven. Viel zu lange habe ich später gezögert (und das finde ich falsch von mir; meine dem zugrundeliegenden Schwächen finde ich schlecht an mir), viel zu lange habe ich gezögert, den Irrsinn, den HvSch verzapft, ebenso klar zu entlarven. Aber damit (mit dem Zögern) ist jetzt Schluß.

Zur Erinnerung: AP ist als kritische Theorie meta zu den Theorien, die sie analysiert und dem Anspruch nach widerlegt. Meta-Theorien sind nichts Besseres als ihre 'Objekte’, sie stehen nur nicht auf gleicher log. Ebene. AP und Päd. konkurrieren nicht miteinander, sondern AP hängt völlig von Päd. ab. Würde Päd. ihre von AP aufgezeigten Widersprüche auflösen, wäre AP gegenstandslos, hinfällig. Sie hätte ihren Zweck erfüllt.

Zur Ergänzung: Aus diesem Zusammenhang ergibt sich zweierlei. 1. muß AP Päd. ständig zur Rechenschaft ziehen, solange Päd. die aufgedeckten Widersprüche nicht bereinigt. 2. AP ist grundsätzlich beweispflichtig gegenüber Päd., AP muß rational nachvollziehbar beweisen, was an Päd. falsch ist. Bei beiden Punkten ist natürlich vorausgesetzt, daß die Analysen der AP stimmen. Päd. hat immer die Chance, ap Kritik mit stichhaltigen Gründen zu entkräften. Gerade weil diese Auseinandersetzungen durch Menschen geführt werden, die selbst einmal Kinder waren, sind sie so kompliziert, emotional belastet, langwierig und verlangen besondere Bemühungen um Objektivität, damit die Ergebnisse allen Subjekten gerecht werden. Das wirre Zeug, das HvSch immer rechthaberischer absondert (z.B. seine Behauptung allgemeiner Unfehlbarkeit, das Beharren zumindest auf seiner eigenen), die vielen Wahnideen, d.h. Denkfallen, die er sich selbst gestellt hat, seine (ich fürchte: unheilbare) Egomanie, im Grunde alles, was HvSch seit mind. zehn Jahren in der Öffentlichkeit treibt, hintertreibt unsere ursprünglich gemeinsame Sache, indem es verhindert, daß sich vernünftige Leute überhaupt noch für AP interessieren, wenn sie seinen Etikettenschwindel nicht durchschauen.

Wie es dazu kommen konnte, untersuche ich derzeit näher, weil viele Menschen meinen, HvSch würde sich nur unglücklich ausdrücken. Das Ganze hat aber System und ist leider – wie ich auch selbst erst nach der Lektüre der "Guru-Papers" von Kramer/Alstad begriffen habe – wirklich höchst unanständig.

Zur Sicherheit: Ich revidiere meine Urteile mit Begeisterung, wenn mir dafür von irgendwem Gründe gezeigt werden.

Lieber Chr.,

Deine Schlußfolgerung über HvSch, daß es objektiv (also hier wohl: von außen betrachtet) "nicht feststellbar ist, was Antipädagogik ist und was nicht", ist für mich die geistreichste Bemerkung über diesen "Antipädagogen", die ich je gelesen habe. Ich werde sie sicher oft zitieren (nicht polemisch, sondern weil sie wirklich klug und wahr ist!). Ich finde, Du kannst stolz auf diese Entdeckung sein, und ich würde Dich gerne namentlich als Urheber nennen (auch in einem Buch). Einverstanden?

Ich bin sehr gespannt, von Dir zu hören. Und ich hoffe, Du kannst ein bißchen verstehen, daß gerade die Richtigkeit Deiner Entdeckung/Bemerkung mich dazu veranlaßt, energisch tätig zu werden, damit ich mich nicht noch länger fragen muß, wofür ich eigentlich die ganzen Jahre arbeite.

Mit freundlichen Grüßen,

Dein

Ekkehard von Braunmühl

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Gespräch aus dem KinderinformationsDienst (Kid) Nr. 3, September 1996:

Die Privatsekte
'Freundschaft mit Kindern-Förderkreis' hat mit Antipädagogik etwa so viel zu tun wie der Weltkonzern 'Scientology-Church' mit Wissenschaft" (E.v.Braunmühl)


Auf den Artikel im letzten Kid zur Antipädagogik, wie sie von Hubertus v. Schoenebeck und dem Freundschaft mit Kindern-Förderkreis vertreten wird ("Du kannst nichts falsch machen."), gab es eine prominente Reaktion: Ekkehard v. Braunmühl, Autor der 1975 erschienenen "Antipädagogik" und zahlreicher anderer Schriften zum Thema, distanzierte sich energisch von den in diesem Text enthaltenen Thesen. Der - von dieser Kritik zunächst durchaus überraschte - Autor des Artikels Michael Dobstadt und Ekkehard v. Braunmühl trafen sich daraufhin zu mehreren Gesprächen, um über diese Kritik und die Antipädagogik zu diskutieren. Dabei stellte sich heraus, daß Ekkehard v.Braunmühl seit kurzem Hubertus v. Schoenebeck (HvS) als geistig verwahrlosten Hochstapler betrachtet, der den Begriff "Antipädagogik" für eigennützige Zwecke mißbraucht. In einem Gespräch befragte Michael Dobstadt Ekkehard v. Braunmühl zu einigen Hauptpunkten dieser Kritik.

Michael Dobstadt: Du hast bereits die Überschriften meines Textes - "Du kannst nichts falsch machen" und "Antipädagogik als Absage an die Moral" - für abwegig erklärt. Ich will Dir sagen, was mir an diesen - auf den ersten Blick tatsächlich abstrus erscheinenden - Formulierungen eingeleuchtet hat: Diese Absage an den moralischen Diskurs, ans Bewerten, ans Falsch-Richtig-Denken macht traditionelle, mit dem pädagogischen Denken unlösbar verknüpfte Schuldvorwürfe endgültig unmöglich. Die Rede von "Böse", "Schuld", "moralische Verpflichtung" etc. gilt nicht mehr. Ist das nicht genuin antipädagogisch?

Ekkehard von Braunmühl: Du hast natürlich recht, wenn Du Antipädagogik als Absage an die pädagogisch-moralische Unterdrückung verstehst. Erfahrungsgemäß entwickeln aber auch nicht-erzogene Kinder moralische Kategorien und Kriterien, denn auch - und gerade - sie wollen lieber in Frieden, Sicherheit und Freude mit möglichst allen anderen zusammenleben als nach den Regeln des Faustrechts. So haben sie z.B. sehr klare Vorstellungen davon, was Fairness bedeutet, und messen an diesem Maßstab nicht nur andere, sondern auch sich selbst.

MD: Gut, aber wie kommen Kinder zu solcher Moral? Ist Moral nicht ein Normengefüge, das an den einzelnen herangetragen wird, dem sich der einzelne zu unterwerfen hat, demgegenüber er a priori als defizitär eingestuft wird? Die sogenannte christlich-abendländische Moral funktioniert jedenfalls so. Sie ist ein permanenter Angriff auf den Menschen, wie er ist.

EvB: Deshalb finde ich ja die antipädagogische Aufklärung so wichtig. Vielleicht erinnerst Du Dich an das Buch von 1975, wo ich die Entstehung eines Gewissens bei freien Kindern, bei denen ja keine "Verinnerlichung" moralischer Normen funktionieren kann, als Resultat von Erfahrung plus Vernunft beschreibe. Leute, die "Werte" wie Pünktlichkeit, Hilfsbereitschaft, Rücksichtnahme etc. seelisch als wertvoll - im Sinne von gut - erleben, können sie auch mit dem Verstand richtig finden. Und ihr Gegenteil als ungut und falsch bewerten. Wer natürlich wie HvS abstreitet, daß man überhaupt etwas falsch machen kann, für den sind ethisch-moralische Reflexionen überflüssig. Er ist ja sowieso unfehlbar.

MD: Ja, aber bedeutet - ich insistiere hier noch ein bißchen - die Anerkennung des Fehler-machen-Könnens nicht doch automatisch und zwangsläufig den Einstieg in den moralisch-pädagogischen Diskurs?

EvB: Das behauptet HvS. Dabei schmeißt er wieder einmal alles in einen Topf. Ich finde: Wenn Pädagogik sagt, man müsse Kindern falsche, böse, schlechte Gefühle irgendwie austreiben oder sie umerziehen, dann muß Antipädagogik zeigen, daß genau das ein sadistischer, also unmoralischer Akt wäre. Wogegen HvS offenbar allergisch ist - und darin hat ihn meine antipädagogische Theorie bestätigt -, ist der Versuch, anderen Leuten weiszumachen, ihre Gefühle seien nicht richtig. Nach meiner Analyse ist die Seele des Menschen am besten als unfehlbar zu betrachten, schon einfach deshalb, weil sie nicht dafür da ist, irgendwelche Kritik zu verstehen. Die Seele ist zum Fühlen da. Das Verstehen ist Sache des Verstandes. Aber HvS bezeichnet ja nicht nur die Gefühle als unfehlbar, sondern auch das Denken und sogar das Handeln. Vernünftige moralische Maßstäbe können natürlich nur auf Handlungen bezogen sein. Und Kriterien von richtig oder falsch beziehen sich zusätzlich auf das Denken. Es gibt Vorurteile, Irrtümer, Denkfehler usw., auch wenn HvS sich noch so sehr weigert, das zur Kenntnis zunehmen, weil er seine Unbelehrbarkeit zum "philosophischen" Programm erhoben hat.

MD: Da stimme ich Dir zu: Es wäre wohl Unsinn, zu leugnen, daß es Vorurteile, Irrtümer, Denkfehler gibt. Aber für HvS ist derSatz "Niemand kann Fehler machen" ja eben deshalb von so zentraler Bedeutung, weil aus seiner Sicht der Ausstieg aus dem Falsch-Richtig-Denken die Voraussetzung schlechthin ist für den gleichberechtigten Umgang zwischen Menschen. Denn: Das Wissen aller Menschen ist subjektiv und daher gleichwertig, gleichrangig. Im Lichte Deiner Kritik wird deutlich, daß es sich hierbei um einen Kurzschluß handelt; diesem Kurzschluß eignet aber durchaus - wie ich selbst erfahren habe - eine gewisse Attraktivität und sogar Überzeugungskraft.

EvB: Der Kurzschluß besteht aber nicht nur darin, aus der selbstverständlichen Gleichwertigkeit aller Subjekte auf die Gleichwertigkeit alles Wissens zu schließen, sondern auch darin, die Gleichwertigkeit aller Produkte, Handlungen, Aussagen usw. zu behaupten. Ist das nicht verrückt?

MD: Es ist radikal relativistisch!

EvB: Nein, es ist bescheuert! Nehmen wir das bessere Wissen. HvS bringt dazu häufig das Beispiel von der Steckdose, die ein Kleinkind für eine Schweineschnauze hält. Wer hier behauptet, daß ein Mensch, der die potentielle Gefährlichkeit einer Steckdose kennt, in der Bewertung der Realität dem ahnungslosen Kleinkind nicht überlegen ist, der hat für mich nicht alle Tassen im Schrank. Erst nach diesem Faktum - der eine Mensch kennt sich in der Wirklichkeit besser aus, kann Zukünftiges objektiv richtiger vorhersehen, genauer planen, erfolgreicher bewirken, als ein anderer (ich sage mal: Anfänger) -, erst nach dieser Tatsache stellt sich die Frage, ob das bessere Wissen dem weniger Wissenden seelenfreundlich zur Verfügung gestellt wird (was antipädagogisch aufgeklärte Leute versuchen), oder ob dieses partielle Besserwissen des Verstandes generalisiert wird zu einem personalen Bessersein, was dann leicht zu legitim erscheinenden Eingriffen in die "seelische Intimsphäre" führt. Mit offensichtlich neurotischen Scheuklappen gegenüber der Realität beansprucht HvS eine solche Intimsphäre auch für sein Denken und Tun - was natürlich rational nicht zu begründen ist. Aber der Rationalität, ich meine ganz banal: dem gesunden Menschenverstand hat er sowieso abgeschworen, seit er ernsthaft behauptet, ein Kind zu sein.

MD: Darauf kommen wir ja noch zu sprechen. Zunächst zu etwas anderem: Ein Kritikpunkt Deinerseits an den Aussagen von HvS, der mich sehr nachdenklich gemacht hat, lautet, daß diese darauf hinauslaufen, Gewalt gegenüber Kindern zu legitimieren.

EvB: Was heißt "legitimieren"! Er sagt selbst, daß er Gewalt gegen Kinder praktiziert - auch wenn er das "Durchsetzung" nennt. Aber es ist logisch. Nach seiner verrückten "Theorie" kann er nicht argumentieren, informieren, oder gar moralisch appellieren, also muß er sich notfalls mit Körperkraft durchsetzen, wenn er dazu Lust und Laune hat, und natürlich die Chance, also wenn er stärker ist. Seine ganze komische Heilslehre propagiert das nackte Faustrecht. Zwar besteht er stur darauf, Gewaltakte, sogar die übelsten Mißhandlungen, beträfen nur das "Außen", nicht das "Innen" der Kinder (ihr "inneres Königtum"), aber in Wirklichkeit merkt sich ein körperlich (äußerlich) vergewaltigtes Kind diese Erfahrung natürlich auch innen, und wenn es nicht blöd ist, wird es das nächste Mal in vergleichbarer Lage die vorherzusehende körperliche (schmerzhafte) Niederlage vermeiden. Es gibt innen also den ganz normalen Einschüchterungseffekt, der mit "Antipädagogik", "Gleichberechtigung", "Kinderrechtsbewegung" auf keine Weise vereinbar ist. Frage: Wie kann das jemand übersehen, der keine neurotischen Scheuklappen hätte?

MD: Gegenfrage: Wieso hast Du Dich erst jetzt dazu zu Wort gemeldet?

EvB: Ich bin ein toleranter und loyaler Mensch. Auf keinen Fall wollte ich einen früheren Freund voreilig oder leichtfertig öffentlich bloßstellen. Also dachte ich mir: "Jeder kann sich so lächerlich machen wie er will". Jetzt ist einiges zusammengekommen (z.B. das Buch "Guru Papers - Masken der Macht" von Kramer/Alstadt), wodurch ich zu der Einsicht gezwungen wurde, daß die FMK-Sekte und ihr Guru der Sache schaden, für die ich mich beruflich seit dreißig Jahren einsetze. Zwar nehmen vernünftige Leute die FMK-Öffentlichkeitsarbeit nicht ernst, aber indem die unter dem Markenzeichen "Antipädagogik" auftritt, wird auch mein Ruf ruiniert. Von Kennern der Fachbuchszene wurde mir mehrfach direkt empfohlen, Begriffe wie "Antipädagogik", "Gleichberechtigung", "erziehungsfrei" aufzugeben und in Zukunft unter Pseudonym zu schreiben, weil alles, was als FMK- und HvS-nah wahrgenommen wird, bei ernsthaften Leuten keine Chance mehr hat. Ich war am Anfang ja selbst FMK-Mitglied, sogar im Vorstand, und habe HvS 15 Jahre lang intern von Freund zu Freund zugeredet wie einem lahmen Gaul, erfolglos. Heute ist mir das sehr peinlich, aber ich muß halt über diesen Etikettenschwindel aufklären, damit die antipädagogische Aufklärung wieder vernünftig vorangehen kann.

MD: Würdest Du sagen können, daß die Antipädagogik bei HvS gleichsam entgleist ist? Und wenn ja - aus welchen Gründen?

EvB: Nicht die Antipädagogik ist entgleist, sondern HvS ist ausgerastet und abgehoben. Als HvS die "Antipädagogik" gelesen hat, kam er zu mir und es ergab sich eine intensive Zusammenarbeit. Damals begann wohl bei ihm eine untergründige Entwicklung, deren Ergebnis er selbst heute formuliert als "kulturelle Auswanderung" in ein anderes Land, das er als antipädagogisches Land bezeichnet, das aber in Wirklichkeit von phantasierten Kindern bevölkert ist. Im Gegensatz zu früher behauptet HvS ganz stur, daß er ein Kind ist. Und in der Tat: Seine Aussagen der letzten Jahre verlieren nur dann ihre offensichtliche Verrücktheit, wenn man konsequent davon ausgeht, daß sie aus der Perspektive eines Schweineschnauzen-Kleinkindes formuliert sind.

MD: Also er regrediert aus Deiner Sicht. Aber warum?

EvB: Ich erinnere an seinen Buchtitel "Ich liebe mich so wie ich bin". Als Erwachsenen kann er sich nicht lieben, also phantasiert er sich als Kind. Aber das sind Fragen, für die ich mich eigentlich nicht kompetent fühle. Es geht mich auch nichts an. Was mich etwas angeht, sind seine Aussagen und der Etikettenschwindel mit der Antipädagogik. Falls HvS eine wohlklingende und korrekte Bezeichnung für seine "Lebensphilosophie" sucht, braucht er sie nicht zu klauen, ich schenke sie ihm: "Regressiver Infantilismus".

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Ist Subjektivitis heilbar?                                 Von E.v.Braunmühl am 29.10.96

Aktuelle Aufklärung über FMK

Dr.v.S. behauptet (im FMK-Rundbrief 5/96 vom 27.10.96), daß es "in den Humanwissenschaften nur subjektives, aber kein objektives Wissen geben kann", und - in dem Zitat - : "es gilt die Subjektivität der Erkenntnis".

Getreu meinem Motto "Antipädagogik ist kritische Theorie, also Information über behauptete und geglaubte Unwahrheiten." ("AP" von 1975, S.238) informiere ich jetzt über die zitierten Unwahrheiten.

In Keysers Fremdwörterlexikon finden sich folgende Definitionen: "subjektiv, dem Subjekt angehörig; vom Ich aus gesehen, persönlich; einseitig, parteiisch." - "objektiv, auf das Objekt bezüglich, gegenständlich; sachlich, nicht persönlich (subjektiv) gesehen, überindividuell; allgemeingültig." Außerdem: "Subjektivität, w., alles, was zum Ich gehört, bes. das persönliche Gefühl."

Laut "Deutsches Wörterbuch" bedeutet "Erkenntnis" u.a. "die selbsttätig in etwas eindringende Kenntnis". "Kennen" wird definiert als "von etwas wissen; bekannt sein mit etwas", "erkennen" als "die Vorstellung erlangen, daß etwas vorhanden und wie es beschaffen ist". Das Verb "wissen" bedeutet "Kenntnis von etwas haben", das Substantiv "Wissen" einfach "Kenntnis, das Kennen". Außerdem ist "Wissenschaft" definiert als "geordnete Gesamtheit des Wissens, der menschlichen Erkenntnisse und Erfahrungen".

Von diesen Definitionen ausgehend ist festzustellen, daß die Formulierungen "subjektives Wissen", "objektives Wissen" und "Subjektivität der Erkenntnis" sprachlogisch unstatthaft sind. Wissen/Erkenntnis setzen ein Objekt voraus ("etwas" wissen, "etwas" erkennen), das bereits existiert ("vorhanden" ist), bevor das Subjekt es erkennt oder davon weiß. Wenn Sprache nicht zur Privatsache verkommen soll, ist die gegenteilige Aussage richtig: Es kann kein "subjektives Wissen" geben. Denn entweder ist Wissen Wissen - dann gibt es a) Subjekte, die dieses Wissen über bestimmte Objekte, Gegenstände, Tatsachen, Zusammenhänge, Theorien usw. haben, und b) Subjekte, die es (noch) nicht haben oder ein Subjekt äußert lediglich Vermutungen, Annahmen, Meinungen, Glaubenssätze, Behauptungen usw.

Dabei spielt es keine Rolle, daß es veraltetes Wissen gibt. Denn "Wissen" (+Erk.) ist seinem Wesen nach zwar ein objektiver Begriff, deshalb aber kein zeitloser, schon gar nicht ein "absoluter" – seit bekannt ist, daß "alles relativ" ist. Moderne Wissenschaftler behaupten grundsätzlich nicht, ihr Wissen sei "absolut" oder zeitlos oder garantiert irrtumsfrei. Im Gegenteil: Das stichhaltigste Argument gegen die Anerkennung absoluter (nicht: objektiver) Wahrheiten ist gerade die Erkenntnis, daß der Mensch sich jederzeit irren kann. (Aber das gefällt Dr.v.S. auch wieder nicht.)

Die Haltlosigkeit der zitierten Behauptungen des Dr.v.S. zeigt sich schon durch die Überlegung, daß Sachen/Gegenstände (auch geistiger Art, z.B. Theorien) keine Subjekte sind, die etwas wissen/erk. könnten. Die Ausdrücke objektives/ subjektives Wissen (+ Erk.) können also nicht Wissen (+ Erk.) meinen, das Objekte/Subjekte haben. Die sprachliche Verwirrung, der ja nicht nur Dr.v.S. zum Opfer gefallen ist, mag damit zu erklären sein, daß häufig leichtfertig von "subjektivem Wissen" geredet wird, wenn das Wissen gemeint ist, das ein Subjekt hat. Die Rede vom "subjektiven Wissen" legt es sprachlich nahe, als Gegensatz ein "objektives Wissen" zu postulieren. Dabei wird übersehen, daß mit diesem Postulat unausweichlich ein Wissen gemeint wäre, das ein Objekt hat. Objekte haben aber kein Wissen; nur Subjekte haben Wissen.

Zu dieser sprachlogischen Unsinnigkeit (der Rede von subjektivem vs objektivem Wissen) kommt noch der logische Unsinn des "in den Humanwissenschaften". Jedenfalls wenn meine Annahme zutrifft, Dr.v.S. unterstelle dabei, in den Naturwissenschaften gäbe es eine zusätzliche Art des Wissens. Das ist aber offensichtlich blanker Unsinn. Wissen ist Wissen, Erkenntnisse sind Erkenntnisse, ob in der einen oder der anderen Wissenschaft. Aus dem Unterschied zwischen Menschen, sozialen Zusammenhängen usw. einerseits und den Forschungsfeldern der Naturwissenschaften einen Unterschied zwischen diesem und jenem Wissen konstruieren zu können, ist ein Lug- und Trugschluß. (Es gehört eben zum Wissen eines wissenden Humanwissenschaftlers, daß ein Kind ihm - anders als Eisenfeilspäne des Physikers/Chemikers - plötzlich einen Vogel zeigen kann, ohne daß er das vorausgesehen oder beabsichtigt hat.)

Wissen/Erkenntnis sind Begriffe, die Realitäten außerhalb der einzelnen Individuen betreffen. Wissen/Erkenntnis kann man finden/gewinnen, nicht einfach erfinden/behaupten. Deshalb nennen seriöse Menschen nur solche Aussagen "Erkenntnisse" (+ Wissen), die a) prinzipiell von allen anderen denkfähigen Subjekten ebenfalls gefunden werden können, und b) von keinem einzigen Subjekt mit stichhaltigen Gründen in Frage gestellt oder sogar widerlegt werden. Andernfalls könnte jeder Scharlatan sein Publikum mit privaten Wahnideen an der Nase herumführen, ohne je Gefahr zu laufen, entlarvt zu werden. Menschen mit Subjektivitis (wie z.B. Max Stirner, aber vielleicht auch Dr.v.S.) denken so egozentriert, daß sie von sich auf andere schließen und ernsthaft glauben, ihre eigene Denkstörung sei eine anthropologische Konstante. Deshalb haben sie keine Skrupel, ihre höchst subjektiven Überzeugungen, Annahmen, Illusionen, Wahrnehmungsverzerrungen, Vorurteile usw. durch den objektiven Begriff "Erkenntnis" aufzuwerten und dies gleichzeitig durch den Zusatz "subjektiv" zu verschleiern. Aber "subjektiv" können nicht "Erkenntnisse" sein, sondern manche Subjekte haben manche Erkenntnisse gefunden oder auch nicht, diese Erkenntnisse aber sind objektiv gültig, sonst sind es keine.

Was wirklich "subjektiv" ist, sind Aussagen, die subjektive Vorlieben, Abneigungen, Geschmacksfragen und allerlei Persönliches betreffen. Dagegen betreffen objektive Aussagen die Welt der Objekte (wie schon grammatisch: Subjekt, Prädikat, Objekt). Und "Wissen" dürfen nur bewährte Wahrheiten genannt werden ("wahr" kommt etymologisch von "bewahren"), also vielfach geprüfte und bestätigte sowie durch nichts widerlegte Thesen, die erst nach dieser (wissenschaftlichen) Prozedur als objektiv richtig gelten können. (Nur Scharlatane behaupten, anders zu Wissen/Erkenntnis gelangen zu können.)

Wer sich, wie ich, nicht für dumm verkaufen lassen will, unterscheidet alle von Subjekten stammenden Aussagen in solche, die subjektiven Inhalts sind (z.B. "Ich liebe mich, so wie ich bin"), und solche, die objektiven Inhalts sind (z.B. "Ich mache keine Fehler" oder "Kinder sind selbstverantwortlich"). Aussagen objektiven Inhalts sind auch objektiv/sachlich überprüfbar, können richtig oder falsch sein und mehr oder weniger stimmen. Entsprechend gelingt es Bettina Girgensohn-Marchand in ihrem für dieses Thema höchst aufschlußreichen Buch "Der Mythos Watzlawick und die Folgen - Eine Streitschrift gegen systemisches und konstruktivistisches Denken in pädagogischen Zusammenhängen" (Deutscher Studien Verlag 1992, 3.Aufl.1996) mit einer einzigen Frage, die Unverzichtbarkeit des Begriffs "objektiv" zu demonstrieren: "Handelt es sich um eine objektiv entscheidbare Sache (ich bin 15 cm kleiner als du) oder nur um eine subjektiv einschätzbare (ich bin toleranter als du)?" (S.60)

Aus der prinzipiellen Gleichwertigkeit aller menschlichen Subjekte auf die Gleichwertigkeit aller ihrer Produkte (z.B. Aussagen) zu schließen, weil ja eh alles subjektiv sei, ist objektiv / tatsächlich / nachprüfbar ein sprachlicher Taschenspielertrick, der kaum einen anderen Sinn haben kann, als die Leser zu verwirren, damit ihr gesunder Menschenverstand sich nicht mehr traut, seriöse Forschungs- und Denkergebnisse (gefundene Erkenntnisse) von puren Behauptungen (erfundenem Blödsinn) zu unterscheiden.

(Klarstellung: Wenn Dr.v.S. einen Selbsthilfeverein für trotzfixierte Erziehungsopfer betreiben würde, müßte ich kein Buch über die egozentrische/narzißtische/bodenlos dumme FMK-Ideologie schreiben. Solange er aber seine Wahnideen und Betrugsmanöver als "Antipädagogik" und sogar "Kinderrechtsbewegung" verkauft, schreckt er objektiv die ernsthaften Leute von diesen Themen ab.)

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  15.12.1997

Mike Weimann

"Freundschaft mit Kindern"
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In seinem neuesten Buch "Was ist antipädagogische Aufklärung" deckt Ekkehard von Braunmühl nicht nur einen unglaublichen Etikettenschwindel mit dem Begriff Antipädagogik auf. Er weist darüberhinaus dem Verein "Freundschaft mit Kindern" aus Münster nach, daß dessen ursprüngliche, antipädagogische Ziele, nämlich "über die Ursachen für die Geringschätzung, Bevormundung, Unterdrückung und Mißhandlung von jungen Menschen (aufzuklären)", sich in den aktuellen Schriften nicht nur nicht mehr finden, sondern daß dort im Namen einer "neuen Lebensart" Egoismus, Rücksichtslosigkeit und Faustrecht propagiert werden.

"Freundschaft mit Kindern" e.V. ist 1978 gegründet worden, um die von E.v.Braunmühl begründete Antipädagogik bekannt zu machen und um eine Kinderrechtsbewegung nach US-amerikanischen Vorbild in Deutschland zu gründen. Der Vorstellung, daß der Mensch ein erziehungsbedürftiges Wesen ist, daß also Kindern Ziele vorgegeben und deren Erreichen notfalls mit "angemessener" Gewalt durchgesetzt werden müssen, sollte unter anderem ein Praxiskonzept (Motto "Unterstützen statt erziehen") entgegengestellt werden. Der Verein verschickte folglich Informationsmaterial, der Gründer Hubertus von Schoenebeck schrieb mehrere Bücher, reiste durch die ganze Bundesrepublik, hielt an Volkshochschulen Vorträge und bot "Theorieseminare zur Antipädagogik" sowie Seminare zum Thema "Selbstverantwortungstraining" an. Daneben veranstaltete der Verein Feriencamps.

Im Laufe der Zeit entwickelten sich die in diesem Rahmen von H.v.Schoenbeck dargebotenen Thesen immer mehr zu einem Konglomerat von Ansichten, das sich einer wissenschaftlichen oder logischen Analyse entzog. Teilnehmer an Diskussionsveranstaltungen fühlten sich häufig vor den Kopf gestoßen, wenn sie auf ihre Rückfragen zur Antwort bekamen, daß die vorgetragenen Ansichten "nur ein Gemälde" seien, das zu betrachten keiner gezwungen wäre. H.v.Schoenebeck brachte es sogar fertig, kritischen Nachfragern zu sagen: "Ich bin Hubertus von Schoenebeck und dort ist die Tür."

Zum Kernstück des Gedankengebäudes von "Freundschaft mit Kindern" wurde die Vorstellung, daß "jeder jederzeit sein Bestes tue", daß "alle Erkenntnisse subjektiv" seien und daß man folglich angeblich nichts falsch machen könne. Insbesondere diese Absage an die Existenz von Fehlern ("Du kannst keine Fehler machen") führte zu der Aussage "Es gibt keine Gewalt", Gewalt sei eine Frage der Interpretation. Die neue "Theorie" besagte letztendlich, daß nicht nur alle Menschen gleichberechtigt sein sollten, sondern auch alle Ideen und alle Taten.

Weitreichende Schlußfolgerungen ergaben sich auch aus dem zentralen Satz "Du bist nicht für mich verantwortlich, denn das bin ich selbst". Die einzige Form von Verantwortung, die H.v.Schoenebeck in seinen Schriften gelten ließ, war die "Verantwortung für sich selbst" - kurz "Selbstverantwortung", die er zum Markenzeichen von "Freundschaft mit Kindern" hochstilisierte. Die ursprüngliche Bedeutung von "Verantwortung" - nämlich: für die Folgen eigenen Handelns aufkommen, "Rede und Antwort stehen" - hatte sich in Nichts aufgelöst. In seinen "Antipädagogischen Symbolsätzen" schreibt H.v.Schoenebeck dann auch: "Selbstverständlich setze ich meine Machtmittel ein".

Diese offensichtlich undemokratische und Menschen- und Grundrechte mißachtende Meinung vertritt der Verein "Freundschaft mit Kindern" aber nicht als Privatmeinung, sondern er bietet sie als "Lebensphilosophie" in kostenpflichtigen Seminaren ratsuchenden Eltern und angehenden Erziehern an. "Wenn ich die Chance habe, setze ich mich durch", lautet die gefährliche Botschaft von H.v.Schoenebeck. Vorausgesetzt, es geschieht "ich-bezogen", ist damit jeder zum "Durchgreifen" legitimiert — auch Erwachsene gegenüber Kindern.

Und wenn man dann im Grundsatzprogramm des Vereins liest, daß der "Sinn der erziehungsfreien Lebensführung in seiner ganzen Bedeutung jedoch nicht in Theorie und Diskussion, sondern nur emotional erfahren werden kann", dann ist der Beweis angetreten, daß von der ursprünglichen Idee des Vereins - der antipädagogischen Aufklärung - nichts mehr übrig geblieben ist. Denn die Antipädagogik ist eine kritische Theorie. Sie läßt sich an ihren Aussagen messen. Wenn die von ihr aufgestellten Behauptungen widerlegt werden würden, hätte sie ihre Existenzberechtigung verloren. Emotionale Erfahrungen hingegen sind nicht widerlegbar.

In "Was ist antipädagogische Aufklärung" widmet sich E.v.Braunmühl ausführlich den einzelnen Bausteinen der "Freundschaft mit Kindern" - Ideologie. In der von ihm gewohnten, genauen und teils witzigen Art entlarvt er Stück für Stück die gedanklichen Taschenspielertricks und entwirrt die schwer zu durchschauende Mischung aus attraktiven Versatzstücken der rationalen Erziehungskritik und H.v.Schoenebeckscher "Subjektivitis".

Die mißbräuchliche Benutzung des Begriffes Antipädagogik hat der seriösen antipädagogischen Aufklärung schweren Schaden zugefügt, da diese im öffentlichen Bewußtsein mit dem H.v.Schoenebeckschen Gedankensalat verbunden wurde. Daß es sich dabei aber um komplett verschiedene Dinge handelt, gilt es deutlich herauszustellen: Der nach wie vor aktuellen antipädagogischen Idee zufolge sollte die Beziehung von Kindern und Erwachsenen gleichberechtigt sein. Das bedeutet, daß die natürliche Andersartigkeit der Kinder (wie Unreife, geringere körperliche und geistige Fähigkeiten, weniger Erfahrung) respektiert wird, ihnen dadurch keine Nachteile entstehen und sie eventuell sogar besondere Rücksichtnahme erfahren. Das bedeutet insbesondere, daß sich - anders als von H.v.Schoenebeck empfohlen - niemand rücksichtslos durchsetzen muß.

("Freundschaft mit Kindern" e.V. hat trotz zahlreicher Aufforderungen bis heute (12/97) nicht auf die Vorwürfe reagiert. Der Verein hat lediglich damit begonnen, die Vokabel Antipädagogik aus seinen Broschüren zu entfernen. Auf den neuen Internetseiten taucht sie aber wieder auf...)

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